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Sport bestimmt ihren Alltag

Badmintonspielerin Cynthia Mathez trainiert bis zu fünfzehn Stunden pro Woche.

Ihr grosses Ziel 2021: die Paralympics in Tokio.

 

Noch einmal zeigt sie ihr Kämpferherz. Der Shuttle, das Spielgerät, fliegt in ihre Platzhälfte, ein Punktverlust droht. Es ist nur Training, aber das tut nichts zur Sache: Wenn Cynthia Mathez Badminton spielt, mobilisiert sie ungeahnte Energien. Dynamisch treibt sie den Rollstuhl an und spielt den Shuttle noch übers Netz. Starke Aktion. Die Kollegin nickt anerkennend.

 

Dem Badminton ordnet Mathez alles unter, auch das Sozialleben. «Trainieren, schlafen, essen, trinken – so sieht mein Alltag aus», sagt sie, «für anderes ist kaum Platz.» Sie liebt ihren Sport und hat den Ehrgeiz, sich mit den Weltbesten zu messen. 2021 stehen in Tokio zwei Grossanlässe an: die Paralympics, an denen Badminton erstmals auf dem Programm steht, und die Weltmeisterschaften Ende Oktober. Erfindergeist im Lockdown Darauf arbeitet Cynthia Mathez hin, obwohl wegen der Corona-Pandemie ungewiss ist, ob die Events tatsächlich durchgeführt werden. Manchmal braucht sie Erfindergeist, um zu trainieren. Als während des Lockdowns die Sporthallen geschlossen blieben, suchte sie Alternativen in einer Tiefgarage.

Mit Kreide zeichnete sie ein Badmintonfeld auf den Boden, absolvierte Fahrtrainings innerhalb der Linien oder schlug Shuttles gegen die Wand.

 

 

Sport spielt im Leben der Frau aus Tramelan im Berner Jura eine wichtige Rolle. Sie macht Judo, spielt Rugby, fährt Autorennen. Als sie 2009 auf einmal ihre Kraft und ihre koordinativen Fähigkeiten verliert, lässt sie Cynthia Mathez «Mein Körper ist zwar nicht mehr stark, aber der Kopf ist es.»  SCHWERPUNKT PARAPLEGIE | JUNI 2021 15 sich untersuchen. Die Diagnose: Multiple Sklerose. Die Autoimmunkrankheit schränkt sie kontinuierlich ein und zwingt sie 2015 in den Rollstuhl. Im Internet sucht sie nach Möglichkeiten, um ihren Bewegungsdrang weiterhin ausleben zu können – und stösst auf Badminton.

 

Cynthia Mathez ist rasch begeistert. Badminton hilft ihr, ihre Gliederschmerzen besser zu ertragen. An den Händen hat sie kein Gefühl mehr, die Schmerzen kommen ihr vor wie eine Dauergrippe. Sie hat sich damit abgefunden, dass sie nicht mehr gehen kann und keinen stabilen Rumpf hat. Mehr zu schaffen macht ihr die krankheitsbedingte Müdigkeit. Zwölf bis fünfzehn Stunden Schlaf benötigt sie pro Tag. 3000 Kilometer im Auto Aus dem Hobby wurde die Hauptbeschäftigung. Die 35-Jährige gewinnt 2018 mit ihrer Doppelpartnerin Karin Suter-Ehrat die Europameisterschaft, 2020 wird sie Schweizer Meisterin im Einzel.

 

Pro Woche trainiert sie dreizehn Stunden, mindestens. Dafür nimmt sie monatlich bis 3000 Kilometer mit dem Auto in Kauf: nach Luzern, Birrhard, Nottwil oder Allschwil. «Wer hohe Ziele erreichen will, darf sich nicht zurücklehnen», sagt sie. «Mein Körper ist zwar nicht mehr stark, aber der Kopf ist es.» Die Kauffrau schätzt sich glücklich, dass sie sich dank Sponsoren und Gönnerinnen und Gönnern ein Saisonbudget von rund 30 000 Franken leisten kann. Ihren Lebensunterhalt bestreitet sie mit einer Invalidenrente. Der Sport motiviert Cynthia Mathez: «Wenn die Moral nicht gut ist, wirkt sich das rasch auf meinen Körper aus.»

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